Jubiläum: 100 Jahre Deutscher Werkbund

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Der Deutsche Werkbund wurde 1907 in München mit dem Ziel gegründet, die Qualität handwerklicher Kultur in die damals beginnende Massenproduktion einzubringen. Zum 100-jährigen Jubiläum sind in ganz Deutschland Veranstaltungen geplant, die die Bandbreite der Werkbund-Aktivitäten aufzeigen. Die Termine für München und Nordbayern finden Sie hier, einen kompletten Überblick bietet Ihnen das Faltblatt des Deutschen Werkbunds e.V., das Sie hier oder in der rechten Spalte zum Download finden.

Mittwoch, 18. April 2007 um 19.00 Uhr
Der Deutsche Werkbund 1907-2007. 100 Jahre gute Form
Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, 80333 München
Ausstellung bis 26. August 2007

Sonntag, 13. Mai 2007 um 11.00 Uhr
100 Jahre Deutscher Werkbund - 60 Jahre Werkbund Bayern
Matinee und Festakt, Kammerspiele München, Falckenbergstraße 2, 80539 München
Veranstalter: Deutscher Werkbund Bayern

Samstag, 30. Juni 2007
Zeit - Lupe. Zeiterscheinungen mit ihren Auswirkungen - Wie gehen wir künftig damit um
Veranstalter: Werkbund Werkstatt Nürnberg, Deutschherrnstraße 15-19, 90429 Nürnberg

Der 1907 in München von Architekten, bildenden Künstlern, Unternehmern und Politikern gegründete Deutsche Werkbund (DWB) wurde sehr bald zu einer der wichtigsten kulturellen Institutionen Deutschlands. Bis auf die Unterbrechung in der Zeit des Nationalsozialismus, in der der Werkbund zwar faktisch aufgelöst wurde, durch seine Mitglieder aber weiterhin wirksam blieb, war er während des 20. Jahrhunderts eine maßgebliche Instanz zur Durchsetzung und Verbreitung technischer Neuerungen, sozialer Wertorientierungen und ästhetischer Normen. Von Anfang an war die Aufklärung weiter Bevölkerungskreise durch Ausstellungen, Publikationen, Kongresse und Vorträge erklärtes und wichtigstes Ziel des Werkbunds. Daher gehörte die öffentliche Präsentation mustergültiger Produkte aus Industrie, Werbung und Design sowie wegweisender Projekte in Architektur und Städtebau zu den zentralen Aufgaben dieser Institution.

Die Vereinigung hatte sich bei ihrer Gründung die "Veredelung der gewerblichen Arbeit" zum Ziel gesetzt, eine Qualitätssteigerung des deutschen Kunstgewerbes, um die Konkurrenzfähigkeit deutscher Wertarbeit auf dem Weltmarkt zu stärken. Als kulturelle Innovationsagentur war der DWB über Leit?guren wie Hermann Muthesius, Friedrich Naumann oder Walther Rathenau zugleich im Sinne einer politischen Institution wirksam. Wesentliche Impulse bezog die Gründergeneration mit Architekten wie Peter Behrens, Theodor Fischer und Fritz Schumacher aus der Lebensreform- und Gartenstadtbewegung. Eine erste Leistungsschau bot der Werkbund 1914 in einer umfassenden Ausstellung in Köln, während der es zwischen Henry van de Velde und Hermann Muthesius zu der als "Werkbundstreit" bekannten Grundsatzdiskussion über Normung kam. Zwischen 1918 und 1933 blieb der DWB durch die Werbung für Neues Bauen sowie die Organisation international beachteter Bauausstellungen wie der Stuttgarter Weißenhofsiedlung 1927 oder der Siedlung in Breslau 1929 Motor der Modernisierung städtischer Lebensformen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte sich der DWB erneut als moralische Instanz zu etablieren. Dem ersten Nachkriegs-Aufruf ehemaliger Werkbundmitglieder im März 1947 folgte im gleichen Jahr der erste Werkbundtag in Rheydt, organisiert von Hans Schwippert, einem der wichtigsten Protagonisten des DWB in der Folgezeit. Im "Rheydter Manifest" ist zu lesen, dass es sich nicht mehr um die "ästhetische Veredelung einer gesicherten Lebensform" handelte, sondern darum, "Sinn und Gestalt des Daseins im heutigen Deutschland zu erkennen, zu wollen und zu bilden". In diesem Manifest ist auch das neue föderalistische Organisationsprinzip des DWB festgelegt, erst 1950 gründeten die Landesverbände auf dem Werkbundtag im Kloster Ettal erneut den Dachverband Deutscher Werkbund e.V.

Die noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland formulierten Positionen prägten über Jahrzehnte die öffentlichen Diskussionen um Wiederherstellung kriegszerstörter Städte. Zu dem grundlegenden Verständnis gehörte auch der Anspruch auf die "Gute Form" mit dem dafür 1953 auf Initiative des DWB staatlich etablierten Rates für Formgebung.

Mit der zunehmenden Politisierung von Planungszielen und -verfahren sowie der kulturellen Neuorientierung der Gesellschaft durch neue Wohn- und Lebensformen wurden Ende der 1950er Jahre vom DWB wieder verstärkt Themen der Stadtentwicklung und Landschaftszerstörung aufgenommen und öffentlichkeitswirksam in Ausstellungen sowie Tagungen zur Diskussion gestellt. Auf dem Werkbundtag "Die große Landzerstörung" in Marl 1959 thematisierte der Berliner Landschaftsarchitekt Walter Rossow die Zersiedelung und Zerstörung der Landschaft. Seitdem wurde der Werkbund zunehmend zum Vermittler, Katalysator und Verstärker gesellschaftlicher Debatten um Partizipation, Wohnungsreform und ein neues ökologisches Bewusstsein. Die Themenschwerpunkte der 1970er Jahre - von provokativen Ausstellungen wie "Pro?topolis" bis hin zu den an die Darmstädter Gespräche anschließenden Internationalen Werkbundgesprächen - blieben nicht ohne Wirkung auf Kommunalpolitik und Stadtplanung.

Heute erhalten diese immer noch relevanten Themen durch die kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit neuen technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten mit Blick auf den gesellschaftlichen Wandel eine wesentliche Erweiterung. Gerade wegen ihrer unterschiedlichen Berufsfelder sehen die Werkbundmitglieder in der Anregung und Moderation interdisziplinärer Zusammenhänge eine ihrer wichtigsten Aufgaben, die es neben einem bundesweiten Wirken vor allem auf regionaler Ebene zu lösen gilt.

Text: Prof. Werner Durth

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